Menschenrechtswoche – Diskurse und Perspektiven!

Ein Kommentar zum Würzburger Weg — von Theresia Wintergerst, Oliver Bertsche und Ralph-Christian Amthor.

Wer an Würzburg denkt, verbindet damit nicht selten einen Besuch in der Residenz, dem bekannten UNESCO-Weltkulturerbe, oder eine Besichtigung im Dom St. Kilian und der Festung Marienberg. Oftmals enden (oder beginnen) Besuche in Würzburg mit einem Glas Frankenwein auf der Alten Mainbrücke. Die Stadt ist als Hochschulstandort bei Studierenden beliebt, was nicht zuletzt an den vielen großen und kleineren Festen und Veranstaltungen liegt, beispielsweise dem „Umsonst & Draußen-Festival“, dem „Würzburger Hafensommer“, den vielen Weinfesten im Sommer bis hin zu zahlreichen kulturellen und sozialpolitischen Veranstaltungen über das gesamte Jahr hinweg.

Speziell für die Soziale Arbeit hat sich mit der „Menschenrechtswoche“ (MRW) ein weiteres regionales Highlight seit nunmehr über zehn Jahren fest etabliert: Begründet im Jahr 2014, dreht sich jährlich im Dezember alles um das Thema Menschenrechte. Die einzelnen Events werden von den Studierenden und der Fachöffentlichkeit sehr gut angenommen: Zumeist besuchen die jährlich 15 bis 20 Programmpunkte, insbesondere die vielen Vorträge und Podiumsdiskussionen, jeweils 200 bis 250 Teilnehmende.

Die MRW hat sich über die Jahre hinweg zu einem Erfolgsprojekt entwickelt. Aber was macht eigentlich diesen Erfolg aus? Welche Tipps und Kniffe können wir für derartige Veranstaltungen und Projekte weitergeben?

Zum Hintergrund der Menschenrechtswoche

Am 10. Dezember 1948 verabschiedeten die Vereinten Nationen, auch infolge der erschreckenden Ereignisse des Zweiten Weltkrieges, die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“. Damit wurde eine Charta geschaffen, in der grundlegende Rechte für jeden Menschen festgelegt wurden, in dem wachen Bewusstsein, was Menschen einander antun können. Weltweit berufen sich Institutionen auf die dort gefassten Grundsätze. Sie legitimieren daraus ihren Auftrag, eine Welt zu gestalten, in der den Menschen, frei von Furcht und Not, Rede- und Glaubensfreiheit zuteilwird. Damit verbunden ist der Einsatz für Justizgrundrechte, für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sowie für politische und geistige Freiheitsrechte.

Die Soziale Arbeit versteht sich ihrem Selbstverständnis folgend als eine „Menschenrechtsprofession“. Die International Federation of Social Workers (IFSW) forderte bereits zu Beginn dieses Jahrhunderts, dass sich Soziale Arbeit in Lehre, Praxis und Wissenschaft unmissverständlich und rückhaltlos der Förderung und dem Schutz der Menschenrechte und der Befriedigung grundlegender sozialer Ansprüche verschreiben muss. Ebenso ist es Aufgabe der Hochschulen der Sozialen Arbeit, für Menschenrechtsproblematiken zu sensibilisieren und im Umgang damit zu schulen (vgl. United Nations, Menschenrechte und Soziale Arbeit, 2002).

Ziele der Menschenrechtswoche

Die MRW in Würzburg will Studierende, Fachkräfte und Wissenschaftler:innen auffordern, sich bewusst in ihren Wertvorstellungen und Entscheidungen an menschenrechtsbezogenen Aspekten zu orientieren, sich mit Aufgaben, Fragen und Dilemmata, die sich aus dem bewussten Bekenntnis der Sozialen Arbeit zur Menschenrechtsprofession ergeben, auseinanderzusetzen und Handlungen wie auch die Berufsgeschichte kritisch zu hinterfragen, um Missachtung und Verletzung von Menschenrechten auch in professionellen Kontexten aufzudecken und zu verhindern.

Hierbei gilt es, die Menschenrechte aus einer kritisch-reflexiven Perspektive heraus als unhintergehbaren und ihrem Anspruch nach universalen Bezugsrahmen für die Selbstverortung der Sozialen Arbeit nicht nur theoretisch zu reklamieren und einzufordern, sondern auch in all ihren denkbaren Konkretionen ganz praktisch zur Geltung zu verhelfen. Die Menschenrechte fungieren hierbei einerseits als (normative) Bezugsgröße, (praktisches) Analyseinstrument und Korrektiv in Theorie und Forschung, andererseits als professionsethisches Fundament der Berufspraxis, die gleichsam aufgefordert ist, zentrale Werte konsequent zu vertreten und ggfs. auch aktiv zu verteidigen.

Zur inhaltlichen Ausrichtung

Thematisch betrachtet spannt die MRW seit jeher einen großen Bogen von disziplinären und professionellen Kernfragen über spezifische Problemstellungen aus den Arbeitsfeldern und Adressat:innengruppen bis hin zu gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen. Sie bezieht sich auf menschenrechtsbezogene Herausforderungen, Diskriminierungsformen und Menschenrechtsverletzungen, etwa hinsichtlich sozialer und Geschlechtergerechtigkeit, Intersektionalität, ethnischer Herkunft und Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Klassismus, aber auch in Bezug auf Alter, Behinderung, psychische Erkrankung, Religion und Weltanschauung, sexuelle Gewalt sowie die Thematisierung und Reflexion von Machtkonstellationen und Missbrauchsfällen in der Praxis der Sozialen Arbeit.

Daneben konnten im Laufe der Zeit auch wiederkehrende thematische Schwerpunkte etabliert werden: Hierzu zählen etwa die integrierten „Tage der Psychiatrie“, historische Analysen, ökologisch-kritische und postkoloniale Fragestellungen und Themen aus dem Bereichen Flucht und Migration im Kontext von Krieg und Vertreibung sowie zur Friedenspädagogik. Die MRW positioniert sich gegen Rechtspopulismus und politischen Extremismus und stellt sich der nationalsozialistischen Vergangenheit. In den vergangenen Jahren konnte zudem, nicht zuletzt durch die sich im Gefolge der Covid-19-Pandemie verändernde Kommunikationspraxis, das internationale und digitale Profil deutlich geschärft werden.

Ein Projekt der Vielen!

Geschichtlich ist die MRW eng mit dem Denken und Wirken der Sozialarbeitswissenschaftlerin Silvia Staub-Bernasconi und vielen anderen in diesem Bereich engagierten Wissenschaftler:innen und Berufstätigen verbunden. Bezogen auf die eigene Fakultät ist zudem der Jahrzehnte zurückreichende Menschenrechtsbezug von Jurist:innen aufzuführen; zuletzt sei darauf verwiesen, dass vor 2014 für einige Jahre das Format „Human Rights Film Week“ bestand.

Die heutige MRW in Würzburg ist hingegen nicht mehr an Einzelpersonen gebunden, sondern getragen von einem „Gemeinschaftsgedanken“: Neben einem Organisationsteam, das sich aus Professor:innen und Studierenden zusammensetzt, wirken an der konkreten Umsetzung jedes Jahr zwischen 20 und 30 Lehrende der Fakultät sowie Studierende kontinuierlich und mit großer Offenheit mit. Die MRW wird von der Fakultätsleitung unterstützt, sowohl organisatorisch als auch in finanzieller Hinsicht durch ein eigenes Budget. Sie ist zugleich eingebunden in reguläre Lehrveranstaltungen und damit ein die einzelnen Studiengänge übergreifendes Lehrangebot.

„Gemeinschaft“ muss hier aber noch weitergedacht werden, denn die in diesem Beitrag aufgeführte thematische Breite ist zuvörderst unseren vielen Gästen und Vortragenden außerhalb unserer Hochschule, den vielen Wissenschaftler:innen und Fachexpert:innen aus dem deutschsprachigen und internationalen Raum, zu verdanken!

Perspektiven

Eine zentrale Aufgabe für die Zukunft wird die weitere Vernetzung und Kooperation mit Wissenschaftler:innen, Praktiker:innen, Hochschulen und sozialen Einrichtungen und Verbänden sein. Die Menschenrechte gehören in die Mitte der Sozialen Arbeit und derartige Tage oder Wochen der Menschenrechte und ähnlich ausgerichtete Projekte sollten aus unserer Perspektive Bestandteil aller Studiengänge der Sozialen Arbeit sowie Einrichtungen und sozialer Dienste sein.

Sehr gerne stehen wir als Mitglieder des Organisationsteams der Menschenrechtswoche in Würzburg diesbezüglich zur Zusammenarbeit zur Verfügung!


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